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Nachricht aus dem Archiv

baeuchlein schrieb am 12.May.2018, 22:28:54 in der Kategorie ot.politik

(OT) Bildung

> Jeder dieser Helikopters hat doch ein Genie auf die Welt gebracht.
> Selbstverständlich muss dieser Fratze aufs Gymnasium.

Wenn man sieht, wie das Image von Hauptschülern ist, ist es auch kein Wunder, dass Eltern ihre Kinder lieber nicht unter "denen" haben wollen. Das kommt dann noch erschwerend hinzu.

> Zu meiner Schulzeit war es auch noch so , daß nur 10-15% den Übertritt ins
> Gymnasium schaffte.
> Da war die geschätzte Aufteilung. 5% Förderschule, 40% Hauptschule, 30%
> Realschule 15% Gymnasium.

Damals war auch der Arbeitsmarkt passend dazu aufgestellt. Heutzutage braucht man ja nur noch hochgebildetste Spezialfachkräfte mit zusätzlich (oder gar selbstverständlich) einer Schiffsladung "Soft skills". Das heißt natürlich nicht, dass die heutigen Gymnasiasten alle auch sowas werden können, bloß: Wo sollen sie sonst hin, wenn es auf dem Arbeitsmarkt immer weniger ausreichend bezahlte Stellen für Nicht-Gymnasiasten u.ä. gibt?

Da ist wesentlich mehr im Argen als nur die Schüler und die Eltern, fürchte ich.

> In meinen Augen haben auch nur 1/3 der Looser, die heute in Gymnasien
> sitzen einen Anspruch auf einen Studienplatz. Hier setzt sich ja das
> Elend fort. Da muss ja der Ballast an Blindgängern mitgezogen werden.

Wenn das mal das einzige Problem wäre... :uuuh:

Vor einiger Zeit hatte ich mal einen ganz guten Einblick in heutige Studienbedingungen. Man konnte erkennen, dass gerade diejenigen. die man früher noch eher gesucht hatte, heute nicht mehr gefragt sind. Das sind diejenigen, die sich auch mal fragen, wie eine bestimmte Sache funktioniert (abseits der Formeln in den Lernunterlagen), oder die sich mal länger damit beschäftigen, warum es denn nicht geht. Das führte bisweilen sogar dazu, dass das Lehrpersonal 'rausfand, dass die eigene Methode zur Qualitätsprüfung eines Produkts der letzte Mist war und haufenweise prima Brauchbares weggeschmissen worden war.

Heutzutage hingegen muss man da oft ganzganzschnell ganzganzviel machen, was das typische Bulimielernen fördert (und im Exzess betrieben der Gesundheit so förderlich ist, als wenn man täglich mehrere Stunden "saubere" Dieselabgase einatmet :devil:). Das ergibt dann als Gewinner dieses "Wettbewerbs" nicht etwa diejenigen, die am Besten selbständig Probleme lösen können - sondern Leute wie Festplatten. Da zählt bezüglich des Wissens nur noch Kapazität und Zugriffszeit, und wer prima auswendig lernen kann, kommt (zunächst mal) gut voran. Die Hinterfragenden landen schnell auf dem Müllhaufen der Geschichte... und dann jaulen wieder irgendwelche Leute, wir hätten einen Fachkräftemangel, und sie suchten ja händeringend und fänden keinen.

Ich fürchte, das ändert sich so schnell auch nicht, denn diejenigen, die unser Bildungswesen lenken, scheinen das immer noch nicht gesehen zu haben. Und das ist nur eine Baustelle im Bildungs-/Ausbildungsbereich, der ja auch noch mit Wirtschaft & Co. Wechselwirkungen hat.

> Eigentlich sollte die Jugend in 9 - 13 Jahren Schule aufs spätere
> Berufsleben vorbereitet werden.

Das sahen die Schulen vor ein paar Jahren aber noch anders. Da gab's hier in der Gegend den Fall einer Gymnasiastin, die mal auf einer Plattform wie Twitter schrieb, mit so-und-soviel Jahren Schule könne sie nun zwar Gedichte in drei Sprachen analysieren, aber keinen Miet- oder Arbeitsvertrag kapieren. Und was antworteten diverse Schuldirektoren da sinngemäß? Sie solle sich auf die Schule konzentrieren und nicht nachfragen, wozu die gut sein soll; so eine Frage müsse eine Schule gar nicht beantworten können. Da brach wohl ein ziemlicher Shitstorm los. "Denk' nicht nach, halt's Maul und tu', was man dir sagt!", das war das Credo, was der Schülerin entgegen schallte.

Da braucht man sich in diesem Land ja nicht mehr zu wundern über so manche Entwicklung.

> Ich bekomme Studenten der Versorgungstechnik vorgesetzt die mit einfachsten
> Rechenaufgaben überfordert sind . Einfachste physikalische Zusammenhänge
> versuchen sie ellenlang Lehrbuchmäßig zu erklären - vom der eigentlichen
> Thematik haben sie keinerlei Dunst

War in jenem Studiengang der Naturwissenschaften, den ich mal genauer betrachten konnte, so ähnlich. Den Studenten hatte man aber auch gar nicht (wirklich) die Zeit gegeben, mal diese ganzen Dinge zu durchdenken. Kein Wunder, dass dann entsprechende Tendenzen zunahmen. Einer der Assistenten dort lobte mal ausdrücklich eine Gruppe von Studenten, die nicht eine sonst in allen anderen Arbeiten zu findende "Erklärung" für von der Erwartung abweichende Ergebnisse wiederkäuten. Diese Gruppe hatte sich nämlich überlegt, dass diese "Modeerklärung" die gefundene Abweichung gerade nicht erklären konnte. Bei allen anderen musste man schwer davon ausgehen, dass sie die vermeintliche Erklärung einfach aus Arbeiten der Studenten vorheriger Semester kannten und ohne viel Nachdenken übernahmen.

Später hörte ich noch von einem Arbeitskreis, in dem mehrere Mitarbeiter offenbar mal gerade so mit dem klar kamen, was sie an ihren Untersuchungsgeräten für ihre tägliche Arbeit brauchten. Drei Millimeter neben der Spur, und sie mussten sich schon deutlich Mühe geben, ihr Unwissen zu verbergen. Ihre eher nicht so guten Praktikanten kamen dann z.T. besser damit zurecht als die Mitarbeiter. Klingt unglaublich, aber würde mich nicht mehr wundern, wenn sich sowas ausbreitet.

Ich glaube, das ganze Gebiet von Schule über (Aus-)Bildung und Berufsleben ist in Deutschland inzwischen ziemlich versaut, und das nicht nur bei den noch nicht im Beruf Stehenden. Irgendwann knallt's dann halt mal. Vielleicht müssen wir uns schon in 10-20 Jahren daran gewöhnen, dass Ausschreitungen wie zum G20-Gipfel in Hamburg auch zu ganz anderen Anlässen stattfinden und Alltag werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf dem Pott der Deckel noch lange drauf bleibt, so wie darin schon das Wasser brodelt.
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