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#409093 Na ja, die kochen auch nur mit Wasser. Ich zerleg' das mal... (pc.linux)

verfaßt von baeuchlein, 27.02.2017, 16:19:41

> Das habe ich soeben beim sonnigen Montagsurfen gefunden: [...]
> Quelle:
> Ist
> Linux das beste Betriebssystem der Welt? - 7 verblüffende Fakten,
> die Sie nicht länger ignorieren sollten …

Das klingt schon eher wie 4711 verblüffende Labereien, die sie nicht länger beachten sollten. Ich mag solche Formulierungen echt nicht mehr, weil sich dahinter viel zu oft mehr Gerede als sonst was verbirgt.

Zugegeben, die dort aufgelisteten Punkte sind einigermaßen korrekt, auch wenn ich zu einigen davon ein "Ja, aber..." zu sagen hätte. So schlimm wie die meisten anderen "X verblüffenden Blubbereien, die sie jetzt nicht wissen müssen" ist das wirklich nicht, aber es ist auch gnadenlos einseitig dargestellt. Ich mach' dann jetzt mal die Sicht frei auf die andere Seite, wie ich sie sehe, und zerlege das Gerede dort mal.


Das Beispiel mit dem Fernsehsender, dem das Windows-10-Update in die Wettervorhersage hinein grätschte, ist mindestens anderthalb Jahre her, soweit ich weiß. Seitdem sind mir keine solchen Dinge abseits der Privatleute mit Windows 10 mehr bekannt geworden. Offenbar haben alle möglichen Fernsehsender es irgendwie geschafft, das umzustellen, ohne dass irgendwer gemeldet hätte, dass viele Sendeanstalten nun von Windows weggingen und Linux einsetzten. Anscheinend kann man dieses Problem auch anders in den Griff kriegen.

Dass dem Linux die Zukunft gehört, ist genau dasselbe Blahblah wie "Atomkraft ist die Energie der Zukunft". Das sagen die entsprechenden fanatischen Befürworter nämlich auch schon seit Jahrzehnten, ohne dass die Voraussage bisher eingetreten wäre.

Zu "Fakt 1", demnach die stärksten (Super-)Rechner überwiegend mit Linux laufen: Ja, mag sein. Aber hat einer von euch diese Dinger zuhause stehen, um damit Office zu machen, im Internet zu surfen oder Tetris o.ä. zu zocken? Macht ihr das mit 'ner Cray oder irgendeinem der Nachfolger? Nö. Das liegt daran, dass diese schnellen Rechner und ihre Betriebssysteme ganz andere Aufgaben haben als die Geräte bei Otto Normaluser. "Fakt 1" ist also kein wirkliches Argument für Linux beim Privatnutzer.

"Fakt 2": Windows wird mit der Zeit immer langsamer. Nun ja, da ist zwar schon etwas dran, aber erstens kann man auch beim Windows diesem Vorgang etwas entgegen setzen, und zweitens lässt sich ein alternder Rechner auch nicht ewig mit den neuesten Linuxen für alle möglichen Aufgaben benutzen. Mein "Zweitrechner" ist aufgrund des Ablebens mehrerer älterer PCs nun ein alter Sack aus dem Jahr 2001, und der ist auch unter modernen Linux-Varianten nicht mehr für's Surfen im Internet oder auch nur das Benutzen von Office geeignet. Er ist dafür zu lahm und hat zuwenig RAM. Lässt sich auch bei dem alten Kasten nicht mehr ändern. Immerhin, andere Aufgaben (z.B. Tonaufnahmen und Soundbearbeitung) kann er noch erledigen und dank des Linux' auch die Ergebnisse mit dem Win7-Rechner im anderen Zimmer austauschen, aber Wunder kann man von so einem alten Rechner auch nicht mehr erwarten.

Ich könnte natürlich ein 10 Jahre altes Linux auf dem Ding installieren, das liefe dann schneller. Es wäre aber einerseits ebenso von nicht mehr reparierten Sicherheitslücken betroffen wie ein Windows, und andererseits kann ein derartig alter Internet-Browser auch nicht mehr alle Seiten im Internet anzeigen. Da hilft es mir dann auch nicht mehr, dass dieses Linux noch genauso schnell ist wie vor 10 Jahren, denn da sich gerade das Internet quasi dauernd weiterentwickelt, kann man mit einem statischen Betriebssystem irgendwann damit nicht mehr mithalten.

"Fakt 3" behauptet, bei Linux brauche man nicht so oft Hardware zu ersetzen wie mit Windows. Ist ähnlich wie "Fakt 2", es stimmt nur bedingt und ist irgendwann auch nicht mehr zu halten. Es ist allerdings wahr, dass man bei Linux meistens noch etwas länger ein aktuelles Betriebssystem auf alter Hardware laufen lassen kann, jedoch muss man bestimmte Funktionalität irgendwann einfach weglassen. Sind RAM, Prozessor und Grafikkarte zu alt, dann ist irgendwann kein vernünftiges Arbeiten mit der grafischen Benutzeroberfläche mehr möglich. Man kann Linux dann zwar noch in einem nur mit Text arbeitenden Anzeigemodus benutzen, aber Grafikbearbeitung z.B. ist dann erledigt auf dem alten Hündchen. Mein "alter Sack" bewegt sich allmählich in diese Richtung; selbst Textverarbeitung mit Libre Office ist auf dem Ding kaum noch sinnvoll möglich.

"Fakt 4": Diese bekannten Hansel haben's auch schon gemacht. Ja, schön - ich persönlich nutze Linux ja auch schon. Aber was läuft da eigentlich jeweils mit Linux? Wirklich alles, was die Betreffenden jeweils mit Computern machen? Und warum steht auf dieser "Fakten"-Seite nicht, dass die Stadt München gerade ihr "LiMux"-Projekt einstampft? Dabei sollte die Verwaltung komplett auf Linux umgestellt werden, das hat aber nicht funktioniert. Soweit ich es mitgekriegt habe, ist es so, dass wichtige Linux-Programme (vermutlich v.a. Libre Office) die Standardformate von Windows-Programmen doch nicht so toll und fehlerfrei öffnen konnten, wie das von manchen Linux-Nutzern immer behauptet wird. Kann ich auch bestätigen; das Libre Office bei dem von mir genutzten Linux versaut seit einiger Zeit bei eingelesenen Word-Texten und anschließendem Abspeichern im gleichen Format (allerdings RTF und nicht DOC/DOCX) stets die Umlaute und murkst auch irgendwie an der Schriftart herum. Kann man vergessen.

"Fakt 5": Linux löst evtl. sogar ihre Windows-Probleme. Jaja, von wegen. Das ist eine ziemliche Lachnummer. Es mag sein, dass man manchmal auch das eine oder andere Windows-Problem mit Hilfe von Linux in den Griff kriegt, aber das ist alles andere als die Regel. Die echt nervigen Windows-Update-Probleme der letzten Jahre hat Linux z.B. nicht gelöst. Wie sollte es auch? Und ab und zu verursacht Linux auch mal Probleme unter bzw. mit Windows. Beispielsweise murkst die von mir benutzte Distribution bei vielen sich bietenden Gelegenheiten sinnlos an Installationen von Windows herum (z.B. durch unnötiges Herumfummeln an den Partitionen von Windows), in den meisten Fällen sogar ohne jegliche Rückmeldung an mich. Erst, wenn dann das Backup-Programm die Windows-Installation nicht mehr findet, merkt man dann, dass irgendwas irgendwann mal schief gegangen sein muss.

Zugegeben, derartig starke Schädigungen von Windows durch Linux sind nicht gerade Alltag. Aber Linux als Retter von windows auch nicht.

"Fakt 6": Der bessere Viren-Schutz des Linux' dadurch, dass die Benutzerrechte nicht alles zulassen. Also irgendwie hat da jemand die letzten 10-12 Jahre Windows-Entwicklung verpennt. Selbst unter Windows XP gab es schon Ansätze zur deutlichen Trennung von Alltagsnutzer und Windows-Administrator, und die wurden mit den folgenden Windowsen weiter ausgebaut. Dass viele Leute speziell unter XP doch ein uneingeschränktes Benutzerkonto benutzten, hat nicht damit zu tun, dass XP es nicht anders erlauben würde, sondern damit, dass man es den Leuten nicht ausreichend beigebracht hat, was das für Vorteile hat. Und vielleicht noch damit, dass diverse Programme für ältere Windows-Versionen mit den Einschränkungen eines gewöhnlichen Benutzerkontos nicht zurecht kamen. Nein, "Fakt 6" ist mittlerweile ziemlich dicht dran an "fake news", wie man z.Zt. zu sagen pflegt.

Außerdem fluche ich bei Linux deutlich öfter über die "Berechtigungsscheiße". Dadurch, dass Zugriffsrechte unter Linux meistens zunächst restriktiver gesetzt werden als unter Windows, und dadurch, dass (meiner Meinung nach) weniger Mechanismen zum Erleichtern des Umgangs mit diesen Problematiken unter Linux vorhanden sind, lässt Linux bei mir deutlich häufiger irgendwas nicht zu, was vielleicht sicherheitstechnisch problematisch sein kann, in der Realität aber die Benutzung unnötig erschwert. Als 08/15-Benutzer unter dem von mir genutzten Linux darf ich das System nicht herunterfahren, darf die Druckereinstellungen nicht ändern, darf u.U. keine Netzwerkverbindungen zu anderen Rechnern "aufmachen" und auch viele USB-Geräte (z.B. Scanner!) nicht benutzen. Darf alles nur der Administrator. Spätestens beim USB-Scanner ist das einfach nur noch Schwachsinn.

Vielleicht gibt es noch mehr Mechanismen, um diese Probleme anzugehen, aber über die wird man in der Regel genausowenig informiert wie unter Windows.

"Fakt 7": Linux wird nicht benutzt, weil es keine Werbung damit gibt. Und/oder weil es kostenlos ist. Na, das ist auch nicht viel besser als Geschwätz. Ja, für Linux gibt es weniger Werbung, aber irgendwann hören die meisten Leute doch schon mal von Linux. Sie kriegen meistens auch noch mit, dass es kostenlos ist. Demnach müssten sie eigentlich in Scharen zu Linux überwechseln, und das schon seit mehr als zehn Jahren - aber bisher ist der Windows-Markt komischerweise noch nicht zusammengebrochen. Spricht der Artikel deswegen vielleicht von einer "Windows-Verschwörung"?

Es ist wohl eher so, dass man für Probleme unter Linux nicht so viel Unterstützung kriegt wie im Falle von Windows. Windows "hat jeder", d.h. die Basis von Leuten, die mit diesem System Erfahrung haben, ist viel größer als bei Linux. Da kriegt man in jedem 08/15-Forum schon Antworten beim Nachfragen bezüglich Windows. Bei Linux hat man da weniger Leute, die antworten. Zusätzlich erschwert noch die große Menge an verschiedenen "Versionen" von Linux (gemeint sind hier die Distributionen, nicht irgendwelche Versionsnummern) eine gezielte Hilfe, wenn man nicht gerade das Problem auf ein bestimmtes, verbreitetes Programm (z.B. Firefox, Thunderbird, ...) "festnageln" kann.


Nun hab' ich nicht nur Erfahrung mit Internet-Seiten mit "7 verblüffenden blöden Sprüchen", sondern auch mit Linux und Windows. Auch von da her kann ich sagen, dass sooo eindeutig überlegen weder Windows noch Linux ist.

Ich verwurste ab hier übrigens die Betriebssysteme und die Programme miteinander, spreche also auch von Programmen unter Linux und Windows. Ist ja auch nicht trivial, schließlich will man nicht nur ein Betriebssystem haben, sondern auch Programme damit benutzen. Sonst nutzt der ganze Kram ja nix.

Ich benutze jetzt seit ca. 2002-2003 auf nahezu allen Rechnern Linux und Windows, je nachdem, was gerade sinnvoller für die jeweilige Aufgabe ist. Mitte des letzten Jahrzehnts wähnte ich Linux wirklich mal auf der "Siegerstraße" beim Überholen von Windows, aber seitdem hat es nicht mehr wirklich aufgeholt, meiner Meinung nach. In Sachen Sicherheit ist vermutlich Linux etwas besser als Windows (aus verschiedenen Gründen), in Sachen Bedienbarkeit dagegen ist es streckenweise deutlich hinter Windows zurück geblieben.

Ich selber bin von meinem "Parallelbetrieb" von Windows und Linux nie weggekommen und halte eine solche Parallelinstallation beider Systeme normalerweise auch für sinnvoller, besonders wenn man von dem einen System auf's andere umsteigen will. wer von Windows auf Linux wechseln will, kann als "Vorstufe" dazu auch noch ein Linux auf einer "Live-CD" (o.ä.) benutzen. Das startet dann von der CD/DVD (oder mit etwas Gebastel vermutlich auch von einem USB-Stick), und man muss erst mal nix auf der Festplatte ändern.

> Mir gibt das deshalb zu denken, da einerseits meine beiden
> PC-/NB-Schätzchen mit Windows 7 (64 Bit) vollauf zufrieden sind, ich aber
> täglich den Ärger mit dem neuen webbasierten Outlook.com hatte, nicht mehr
> alle unter Windows Live 2012 teils automatisch integrierten Email-Adressen,
> namentlich des Hotmail- und Live-Typs, unter einem Client aufrufen zu
> können. So habe ich auf Windows 10 noch immer keinen Appetit ...
> Na ja, Thunderbird schien die Lösung/Rettung, aber [...]

Tja, unter Linux ist Thunderbird auch eines der bekanntesten Mail-Programme. Outlook in welcher Form auch immer gibt's da zwar nicht (außer per Windows-Emulator vielleicht), aber dafür auch nicht unendlich viele Alternativen.

 

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