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#388802 slightly OT: Callcenter (user.telecom)

verfaßt von bender, Strasshof an der Nordbahn, 09.11.2015, 19:48:12

> CallCenter mit Fachpersonal kann's für 8,50 EUR/h auch niemals geben und
> eine Zertifizierung durch den TÜV o.ä. ebenfalls nicht. Das wäre alles zu
> teuer oder die Effizienz müsste bis zur Sklavenhaltung gesteigert werden.

Meine Zeit im Callcenter ist schon ein paar Jahre her, ich hab damals Businesskunden in Sachen DSL und Webspace betreut. Meine 2 Cent zu dem Thema:
Klar gibts immer Luschen im Support, ich hab jedenfalls immer mein Möglichstes getan, um die Probleme der Kundschaft gelöst zu bekommen - auch wenn das bedeutete, daß der Kunde auf ein billigeres Produkt umsteigt. Kam schon mal vor, daß der Verkäufer ein Produkt verkauft hat, das der Kunde gar nicht brauchte. Beispiel: Anforderung war, daß das Postfach von mehreren PCs abrufbar ist. Was hat er bekommen? Einen sauteuren Hosted Exchange, mit dem er komplett überfordert war. Ich hab ihn dann auf die Standard-Mailbox zurückmigriert und IMAP eingerichtet.
Andererseits muß ich auch sagen, daß manche Kunden ziemlich ungut sind. Da gibt es die, die einem ständig ins Wort fallen, weil sie ihre Untergebenen auch immer so behandeln. Dann gibt es die "Admins", die glauben, sie wüssten alles und erzählen aber kompletten Müll. Und dann natürlich die, die das billigste Business-Produkt haben, die SLAs nicht kennen und glauben, sie kriegen ihre Leitung in 5 Minuten entstört. Und das bei einem durchtrennten Erdkabel (Baustelle, Bagger, ihr kennt das...).

Jedenfalls hab ich das 6 Jahre gemacht, danach mußte ich da weg, weil ich merkte, daß ich ausgelaugt war. Der Brötchengeber wollte die "Produktivität" immer weiter steigern, man bekam immer noch mehr aufgedrückt, mehr Geld gabs dafür natürlich nicht. Es hieß immer nur, das wäre eh im Vertrag abgedeckt, man habe nur bisher netterweise darauf verzichtet, diese zusätzlichen Aufwendungen einzufordern. Tja, dann hatte ich einen Bandscheibenvorfall, war dann 2 Wochen im Dienst, hab mir dann wieder 3 Wochen Urlaub genommen wegen Umzug und am ersten Arbeitstag danach wußte ich, daß ich da nicht mehr hin wollte. Zum Glück hatte ich da schon was in Aussicht im Field Support, wo ich nach wie vor arbeite.

Es ist halt leider so: die Wenigsten sehen diesen Job als Berufung. Der Großteil sind Studenten oder Anfänger in der IT, die keine bis wenig Ahnung haben. In Callcentern herrsch große Fluktuation, kaum einer ist länger als 2 Jahre dabei, eher weniger. Den Druck will sich einfach keiner auf Dauer antun und jeder der die Chance hat, geht möglichst schnell wieder. Das liegt mMn hauptsächlich an den Vorgaben der Unternehmen, man wird dort ausgepresst wie eine Zitrone, ist ja auch kein Problem, das sind zumeinst Leasingkräfte, die man nach Belieben austauschen kann. Und damit man die Neuen nicht großartig einlernen muß, gibt es eben diese von @Hausdoc erwähnten "Wunderbäume", mit denen auch ein ungelernter Vollhonk Support leisten können soll. Nur blöd, wenn in so einem Baum eine bestimmte Situation nicht vorgesehen ist.
Ich hab in meinen 6 Jahren dort viele Kollegen kommen und gehen sehen, in den letzten 2 Jahren hab ich selber Schulungen abgehalten. Immer in der Hoffnung, irgendwann damit aus dieser Tretmühle rauszukommen, vermutlich fehlte mir dazu noch Vitamin B. Letztlich ging es nur über einen Jobwechsel.

Nur so viel dazu, bevor hier weiter auf den Servicelines rumgehackt wird.  :waving: Wenn ihr mit diesen Leuten telefoniert, denkt bitte daran.

--
Grüße aus Strasshof an der Nordbahn (ja, da wo die Natascha im Keller lebte)
bender

sudo apt-get install brain_2.0

 

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